Ich habe Dennis am Abend seiner Kinotour nach der Vorführung in Schwerin kennengelernt. Eine richtig coole und gechillte Type, der verstanden hat, worum es im Leben geht. Neue persönliche Grenzen zu setzen und Dinge einfach zu machen bzw. sie auszuprobieren. Selten habe ich einen so inspirierenden und unterhaltsamen Radreise Film gesehen, der auch noch komplett in Eigenregie und mit wenig Budget umgesetzt wurde. An dieser Stelle schon mal meinen fetten Respekt!
Im Film und Buch „Besser Welt als Nie“ gibt Dennis tiefe Einblicke über seine 43.600 km, 761 Tage andauernde Radweltreise durch 41 Länder. Herrlich ehrlich, humorvoll und unterhaltsam spricht er über das Erlebte, die Erkenntnisse sowie seine Zukunftspläne. Los geht’s:
1. Dennis, was hast du gemacht, bevor du die Reise angetreten bist und wie ist es zu der Projektidee gekommen?
Ich bin bis zu meinem 24ten Lebensjahr den „geraden Weg“ gegangen und habe ein Studium zum Bauingenieur abgeschlossen … bis ich dann nach Berlin gezogen bin – eine Stadt, die einen definitiv verändert. Auf der Suche nach einem aufregenderen Leben stolperte ich eines Abends über einen Artikel über einen Fahrrad-Weltreisenden. Ich habe mir den Bericht durchgelesen und ab dann war es um ich geschehen.
2. Wie intensiv, aufwendig bzw. herausfordernd war die Vorbereitung deiner Reise?
Etwa 1 1/2 Monate habe ich mich intensiv vorbereitet – d.h. ich habe Equipment besorgt für die Radtour, aber gleichzeitig auch für den Film. Von beidem hatte ich keine Ahnung, also habe ich auf die Schnelle versucht mir alles nötige Wissen therotsich anzueignen. Für Praxis war keine Zeit, denn es war bis zur Abfahrt schon Juni – also kam die Praxis halt erst während der Reise.
3. Was war dein wohl bewegenster Moment als auch deine wichtigste Erkenntnis dieser Radreise?
Es gab keinen Moment, der besonders herausstach – es waren viel zu viele. Erkenntnisse gab es natürlich auch viele, aber zwei, die bis heute tief in mir verankert sind, sind, 1. dass man mit einem Lächeln durchs Leben laufen sollte – damit kann man sich mit Unbekannten anfreunden und 2. dass, es immer weiter geht. Das wurde mir irgendwann klar, nachdem ich immer wieder in komische, unbequeme, schwierige Situationen kam und sich immer wieder eine Lösung fand. Ich müsste zu dieser Frage eigentlich noch viel weiter ausholen, aber vielleicht hilft ja ein Blick ins Buch.

4. Der Zuschauer sieht ja nur den fertigen Film. Wie aufwendig ist so ein Filmprojekt eigentlich, und was steckt alles dahinter?
Es ist unfassbar aufwendig – zumindest, wenn man was geiles draus machen will. Und diesen Anspruch sollte ja wohl jeder an sich selbst haben – auch wenn manche lieber die „schnell-raus-damit“-Mentalität an den Tag legen. Ich dachte, in einem halben Jahr könnte ich fertig sein – am Schluss waren es über zwei Jahre. Rohschnitt – Rücksprache Stage 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, … – Feinschnitt – Rücksprache Stage 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, … (bedenken: es ist jedes Mal ein 2-Stunden Film) – die Musik (komplett für den Film individuell angefertigt) – der Text – das Timing – die Dramaturgie – die Software richtig verstehen – Finanzierung (Anträge und Crowdfunding) – Color Grading – Sounddesign – Kino-Tonmischung – Filmplakat – FSK Prüfung – Trailer – Vertrieb suchen – DCP Erstellung – Pressearbeit – Kinotour – und vieles vieles mehr. Und als wäre es nicht genug, habe ich noch ein Buch geschrieben, das nochmal komplett andere Aspekte und Stories aufzeigt – den zeitlichen Aufwand habe ich natürlich auch dort wieder ordentlich unterschätzt :)
5. Wow! Welchen Tipp hast du für Radreisefilm Newcomer, die ihren nächsten Trip filmisch dokumentieren möchten?
1. Don’t fake the funk! Ehrlich sein und nicht „rumheulen“! In vielen Reisefilmen haben sich die Produzenten gedacht, dass sich Drama gut verkauft und wollten es zur Spitze treiben – teilweise mit schlechtem Schauspiel, teilweise durch einen „dramatischen“ Schnitt. Aber der Zuschauer merkt das. Wenn es nicht da ist, kann man es nicht herzaubern. Wenn man sich aber locker und natürlich vor der Kamera gibt, wird es dem Zuschauer gefallen.
2. Versuche andere Leute und Begegnungen festzuhalten! Wer mit einem Fahrrad reist, lernt unfassbar viele Leute kennen. Und wenn man diesen großen Aspekt der Reise außenvorlässt und nur sich selber filmt, am besten den kompletten Film lang, dann wird der Zuschauer enttäuscht sein. Trau dich!
3. Be original! Man kann sich hier und da was abgucken von anderen Reisefilmen, aber man sollte NIEMALS einen Style kopieren. Erstens ist das ein Schwerverbrechen und zweitens bist Du Du, Ich Ich, Er Er und Sie Sie. Zu versuchen, einen Style von einem anderen Film zu kopieren, wird in die Hose gehen. Sei du selbst.
6. Warum sollte man sich dein Buch bzw. den Film „Besser Welt als Nie“ unbedingt reinziehen?
Der Film ist manchmal witzig, manchmal informativ, manchmal spannend, manchmal emotional, immer bunt und am Ende doch ziemlich „lovely“. Und er hat nen geilen Soundtrack! Ich hoffe, das reicht an Argumenten. Vielleicht macht der Trailer ja Lust auf mehr ;P
Das Buch ist noch mal eine Nummer frecher / witziger, wiederholt aber keine Story vom Film – hat dafür aber die etwas „härteren“/gefährlicheren Stories am Start. Ich würde es als „akademisch-klamaukiges Travel-Edutainment“ bezeichnen. Falls irgendjemand versteht was ich damit meine, dem wird das Buch gefallen. In den ersten 80% geht es um abgedrehte Stories, danach kommt ein Reflexions-Teil (Live-Knowledge), Stats, FAQs, Finanzierung, Packliste und Motivation – wenn man das Buch durch hat, hat man hoffentlich die Lust loszuziehen, und weiß gleichzeitig auch schon, wie man es machen kann. Der volle Service sozusagen.
7. Erzähl uns ein bisschen mehr darüber, wie der Soundrack entstanden ist.
Auf dem Splash!-Festival 2009 habe ich Niko kennengelernt und wir haben schon damals viel über Musik und vor allem über Hip Hop Producer gesprochen. In den nächsten Jahren habe ich immer verfolgt, was er macht – meistens hatten seine Posts auf Facebook und Soundcloud 3 bis 5 Likes, meistens war davon einer von mir. Sein Zeug war schon damals genial, nur wusste niemand davon. Nach und nach hat er sich auch immer mehr in andere Richtungen gewagt, über den Hip Hop hinaus, u.a. auch cineastische Stücke. Und als ich an Besser Welt als Nie arbeitete, hat er mir einfach mal sein komplettes Archiv zur verfügung gestellt. Hip Hop, Filmusik, Drum & Bass, Piano-Solos, alles was er hat. Damit konnte ich anfangen, letztendlich ist aber jeder Track speziell für den Film arrangiert, die meisten Stücke sind sogar komplett neue Kompositionen, oft sogar mit Landestypischen Instrumenten. Im Hip Hop ist Niko durchgestartet und hat unter dem Namen „Tesk“ mittlerweile 8-stellige Klicks auf Spotify. Echt lustig, wenn man an die 5 Klicks pro Post von damals zurückdenkt. Ich hoffe mal, dass auch sein Talent im Bereich Filmmusik erkannt wird und Boris Merkfeld (sein Alter-Ego als Filmmusik-Komponist) bald ein bekannter Name sein wird.
8. Du bist ja erst 29. Von welcher Reise träumst du noch und welche Projekte hast du für die Zukunft geplant?
Ich träume von keiner bestimmten Reise – ich träume davon, wieder frei zu sein. Alles was nach der Weltreise kam (Buch und Film), gab mir zwar die Freiheit zu arbeiten wann ich will, aber gleichzeitig wurde es auch mein größtes Gefängnis, weil ich wusste, dass ich nicht wieder losziehen kann, solange mein Projekt nicht abgeschlossen ist. Wenn ich mich nochmal so fühlen könnte, wie in den ersten Monaten meiner Radreise – das wäre das aller schönste.

Oh ja, du sprichst mir aus der Seele. In allem und vor allem im letzten Satz. Dieses Gefühl ist einfach unbeschreiblich. Man muss es selbst erleben um zu wissen, wie sich Freiheit wirklich anfühlt. Ich denke auch noch regelmäßig an genau diese Momente meiner ersten Radreise zurück.
Danke dir für dieses ehrliche, unterhaltsame und inspirierende Interview. Hau rein und viel Erfolg mit der hoffentlich bald fortlaufenden Kinotour. Sobald der Corona Virus sich beruhigt hat, findet ihr alle Kinovorstellungen von „Besser Welt als Nie“.
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Ein wunderbarer Film!
Danke