1.700 Wörter!? Wer soll das denn lesen? Glaub mir, es lohnt sich! Da sieht man auch mal wieder, was man auf einer fünftägigen Radreise durch das Münsterland alles erleben kann!
Ich bin zu Besuch in meiner alten Heimat. Genauer gesagt auf dem Radweg der 100 Schlösser Route durchs Münsterland. Im Mai war ich bereits auf dem Ostkurs (240 km) und Nordkurs (305 km) des über 1.000 km langen Radwegs unterwegs. Und nun stehen der Süd- (210 km) und der Westkurs (310 km) an. Der Südkurs ist übrigens der beliebteste aller vier Kurse, da es hier die meisten Schlösser, Burgen und Herrenhäuser gibt.

Die vier Kurse der 100 Schlösser Route im Münsterland
Noch immer ist es außergewöhnlich warm, obwohl der Herbst bereits Einzug gehalten hat. Mitte Oktober 2018 merkt man davon aber noch nichts. Es fühlt sich an, als halte der Jahrhundertsommer noch immer an. Wahnsinn!
Die nächsten elf Tage heißt es Radeln, faszinierende Burgen, Gutshäuser und Schlösser bestaunen, Campen, Paddeln, Menschen kennenlernen, regionale Köstlichkeiten probieren und auf einem Schloss übernachten! Aber eins nach dem anderen.
Was bisher geschah…
Was ich von meiner Tour im Mai bereits mitgenommen habe, ist, dass ich wirklich jedem empfehle, seine Heimat mal mit dem Fahrrad zu erkunden. Es ist nicht nur ein Unterschied wie Tag und Nacht, wenn man dies mit dem Auto tun würde, Radfahren entschleunigt auch einfach so ungemein. Man lernt viel über Bräuche, Traditionen, die Geschichte und Zusammenhänge seiner Region und trifft tolle Menschen. Fast jede Region in Deutschland hat ihre eigenen Themenradwege. Also, worauf wartest du?
Tag 1:
Für den ersten Tag hat sich meine Schwester Luisa angekündigt. Sie will die Tagesetappe von Münster bis Ascheberg mitradeln. Aber bevor es losgeht, wollen wir noch eine Runde auf der Werse, die direkt an der 100 Schlösser Route liegt, paddeln gehen. Hier führt auch der bekannte Werseradweg entlang. Das ist das erste Mal, dass wir im Herbst Kanu fahren. Und so erfreuen wir uns sehr an dem schönen Wetter und den tollen Herbstfarben.
Kanu fahren im goldenen Herbst auf der Werse
Das Kanu, genau wie mein Leihrad, bekomme ich wie auch beim letzten Mal wieder von Bernd vom CanuCamp. Bernd Laukötter war 27 Jahre alt, als er 2014 den Betrieb eher zufällig übernahm. Mittlerweile vermietet er über 50 Kanus und 300 Fahrräder an Urlauber, Individualtouristen und Gruppen. Ich frage ihn, was für ihn denn so typisch Münsterländisch sei. Diese Frage werde ich den Menschen entlang der Tour noch öfter stellen. Seine Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen:
Der Münsterländer geht zum Lachen in den Keller und ist vorsichtig gegenüber Fremden.
Beim ersten müssen wir beide lachen. Der letzte Teil des Zitats ist wahrscheinlich den vielen Kämpfen und Kriegen in dieser Region geschuldet.
Eine Sache, auf die Bernd besonders stolz ist: Zusammen mit Dr. Klaus Werner Karl hat Bernd Sprachkurse für junge Leute ins Leben gerufen, die in der Region auf sehr großes Interesse stoßen. Sprache: Plattdeutsch!
Bernd Laukötter vom CanuCamp in Münster-Angelomodde
Die Sonne scheint und wir merken schnell, dass Mountainbike und E-Bike durchaus kompatibel sind, wenn man sich anpasst. Das funktioniert überraschend gut. Zumindest für diesen einen Tag.
Plötzlich schreit Luisa auf: „Ah, daaaa! Guck!“ Ich fall vor Schreck fast vom Rad! Ganz übereuphorisch hat sie das erste Schloss bzw. in diesem Fall das Haus Bisping erspäht, das zu unserer Rechten direkt am Straßenrand auftaucht. Beim nächsten Mal bitte ein bisschen leiser und weniger erschreckend. Daaaanke!
Haus Bisping in Drensteinfurt
Ein schöner, erster Tag geht zu Ende und wir hatten eine tolle Zeit. Luisa verabschiedet sich und fährt Richtung Bahnhof. Ich hingegen mache mich auf den Weg, einen geeigneten Platz zu finden, um mein Zelt aufzuschlagen.
Sonnenuntergang in Ascheberg
Tag 2:
Ruhigen Platz zum Zelten gefunden
Gähn, Guten Morgen! Wie war die Nacht? Naja, geht so. Alles ist nass, aber weiter geht’s. Die nächsten beiden Schlösser hätte ich fast verpasst, da der GPS Track auf meinem Handy woanders lang zeigte. Leider sind sie wie so oft in Privatbesitz. Dennoch kommt man nah genug ran, um ein Foto zu machen. Und auch generell ist das gar nicht so schlimm, denn wie bereits erwähnt, gibt es am Südkurs wirklich viele Schlösser – eins schöner als das andere. Und die nächsten sind nicht weit. Zwei ganz besondere! Schloss Westerwinkel und Schloss Nordkirchen. Letzteres wird sogar als „Westfälisches Versailles“ bezeichnet und ist eine der imposantesten Schlossanlagen Westfalens. Hier werden täglich kostenlos Touren angeboten, und ich überlege noch zu joinen, aber als ich die gefühlt 100 Rentner sehe, die dort anstehen, bleib ich direkt auf meinem Rad sitzen und fahre noch ein wenig durch die wunderschöne Parkanlage. Gar nicht schlimm, denn morgen erwartet mich eine Führung durch die frisch renovierte Burg Vischering in Lüdinghausen. Hier gibt es sogar ein neues, sehr modernes und interaktives Museum.
Schloss Westerwinkel bei Ascheberg
Sharing Economy!
Schloss Nordkirchen
Kürbiszeit!
Am Abend finde ich in der kleinen Stadt Selm die wohl charismatischste Pizzabäckerin Deutschlands. Mona Amoura backt mit viel Liebe und ihre Speisekarte lässt keinen Wunsch offen. Es gibt sogar Sternzeichen Pizza! Mit jedem, der reinkommt, wird erstmal Pläuschchen gehalten. Einer dieser herzensguten Menschen, die man trifft, wenn man sich mal außerhalb gewohnter Umgebungen bewegt. Es dämmert mittlerweile und ich habe, der Farbe des Himmels nach zu urteilen, einen wohl spektakulären Sonnenuntergang verpasst. Aber Mona und ihre leckere Pizza waren es Wert! :)
Tipp: Pizzeria Romantica in Selm
Tag 3:
Die Nächte werden kälter…
Am nächsten Morgen merke ich, dass ich unter ganz vielen Eicheln gezeltet habe. Oh Boy, was war denn nochmal mit diesem Eichenprozessionsspinner!? Bei mir zuhause, in Mecklenburg-Vorpommern, hatten wir damit keine Probleme, aber hier im Münsterland ist er wohl weit verbreitet. Naja, zum Glück fühle ich nichts und recherchiere, dass er wohl nur in den Sommermonaten aktiv ist.
Pünktlich um 12 Uhr, als sich die Wolken über der Wasserburg Vischering zusammenziehen, komme ich an. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Vera führt mich durch die frisch renovierte Burg und das neue interaktive Museum. Wow! Ein Film erinnert an die einjährigen Bauarbeiten und Vera verrät mir die Zahl der Überstunden, die sie und ihre Kollegen (gerne) während dieser Zeit gemacht haben. Ich erwähne mal lieber nicht, wie viele es waren. Durch die Burg Vischering kann man locker zwei bis drei Stunden durchtrudeln, sich alles anschauen, viel lernen und bestaunen. Meine Highlights waren der Speiseraum mit Lichtershow, der Film des eisernen Dornen-Halsbandes des Lambert von Oer, die interaktive Schlösserkarte des Münsterlandes, und auch der Film, der die einjährigen Baustellenarbeiten zeigt. Man kann hier sogar einen Koch- und Bierbraukurs machen.
Burg Vischering in Lüdinghausen
Burg Vischering in Lüdinghausen
Interaktives Museum in der Burg Vischering
Die schönsten Schlösser im Münsterland
Ich bin überrascht, als ich um 15 Uhr mein Fahrrad wieder aufschließe. Wo ist die Zeit geblieben? Keine Ahnung, auf jeden Fall habe ich richtig Hunger. Das Café Indigo, das mir Heidi vom Münsterland e.V. empfohlen hat, liegt zum Glück nur ein paar Kilometer entfernt.
Das Café Indigo hinter Lüdinghausen
Der Dortmund-Ems Kanal, mein Heimatkanal, führt auch hier entlang und ich habe einen kleinen Campingplatz direkt daneben gefunden. Der Platz ist für Radreisende mit Zelt zwar eher zweckmäßig, aber der Besitzer zeigt mir eine ruhige Stelle, gibt mir sein Internet-Passwort, leiht mir sogar sein Stromkabel-Adapter und verlangt gerade mal 6,50 Euro. Wow! So einfach kann man mich glücklich machen.
Um 19:30 ist es bereits stockdunkel und ich weiß nicht, ob ich müde oder hungrig bin. Heidi hat mir noch einen weiteren Tipp gegeben: Das Restaurant Mutter Siepe. Es regnet leicht und ich überlege lange, ob ich mir die 4 km jetzt noch antue. Ach komm, genau in solchen Situation sollte man sich überwinden und es einfach machen. Eine Entscheidung, die ich auf keinen Fall bereuen werde. Nach einem leckeren Abendessen sitze ich mit Vater Walter, Sohn Timo Siepe und der Auszubildenden Monique zusammen, und sie erzählen mir von der Geschichte ihres Restaurants, die bis ins Jahr 1840 zurückreicht. Mutter Siepe nannten damals alle nur „Mum“, und die vielen Gegenstände, die sie gesammelt und in ihrem Restaurant platziert hat, erzählen bis heute ihre Geschichten. Dort findest du sogar den bisher einzigen männlichen Ammonit der Welt. Was für ein schöner Abend und was für nette Menschen!
Restaurant-Tipp: Mutter Siepe bei Lüdinghausen
Tolle Menschen: Walter, Monique und Timo
Tag 4:
Der Tag beginnt früh mit einer einstündigen Tour entlang des Dortmund-Ems Kanals in Richtung Senden. Hier steht das Schloss Senden, das zurzeit leider renoviert wird. Früher hat der Besitzer hier Zimmer an Studenten vermietet. Und nun ratet mal, wer hier zwei Semester gewohnt hat? Meine Mutter, in einem kleinen Zimmer direkt hinter diesem Burgturm.
Dortmund-Ems Kanal bei Senden
Schloss Senden
Kennst du eigentlich Westfälischen Knochenschinken? Ich bin direkt auf dem Weg nach Nottuln, zu Stefan Waltering, von der familiengeführten Metzgerei Schinken-Waltering. In Westfalen gibt es viele Eichelwälder. Die Schweine der Bauern ernähren sich von den Eicheln, die unter anderem zu diesem außergewöhnlichen Geschmack des Schinkens beitragen. Das Fleisch am Knochen legt man für mindestens sechs Wochen in Salz ein und trocknet es anschließend noch einmal für mindestens sechs Wochen. Einpökeln wird diese Prozedur hier auch genannt. Stefan Waltering geht noch einen Schritt weiter, benutzt nur Münsterländer Schweine und trocknet den Schinken zwischen 6-12 Monate. Das macht seinen Schinken so einzigartig. Und das schmeckt man!
Kulinarik-Tipp: Westfälischer Knochenschinken bei Stefan Waltering
Als ich in Billerbeck ankomme, geht es mit westfälischem Genuss direkt weiter. Hier treffe ich den deutschlandweit bekannten Chef de Cuisine Frank Groll, den ich auf einer Kulinarik Reise durch Westfalen bereits letzten Monat kennenlernen durfte. Frank Groll führt das Restaurant Domschenke, das direkt an der 100 Schlösser Route liegt. Ich frage ihn, was für ihn typisch Münsterländisch ist:
Bodenständigkeit und ein Drang zum Understatement.
Das bestätigt sich nur eine Minute später, als er mir auf meine Nachfrage hin seine Auszeichnungen zeigt, die er in einem Karton versteckt hinter der Theke liegen hat. Statt sie stolz aufzuhängen, erlebe ich in diesem Moment was münsterländerisches Understatement tatsächlich bedeutet.

Drachenkopf made by Frank Groll
Frank und Petra Groll von der Domschenke Billerbeck
Tag 5:
Die Impressionen vom letzten Abschnitt der Tour kommen ausschließlich in Form von Fotos, denn Bilder sagen mehr als tausend Wörter und der Artikel ist eh schon viel zu lang geworden :D Das Wetter ist zwischenzeitlich leider nicht mehr so prächtig, so dass ich dir hier die Bilder von meiner Tour im Mai zeige, denn das südliche Teilstück des Nordkurses führt auch über genau diesen Part des Südkurses der 100 Schlösser Route von Billerbeck nach Münster.
Den Reisebericht über den Westkurs, den letzten Teil der über 1000 km langen 100 Schlösser Route durchs Münsterland gibt es hier.
Haus Vögeding in Münster-Nienberge
Wasserburg Hülshoff in Havixbeck
Noch ein paar Tipps
Am Ende möchte ich dir noch ein paar hilfreiche Tipps für deine Radtour entlang der 100 Schlösser mit auf den Weg geben. Zeltplätze sind entlang aller vier Kursen leider ein wenig rar. Die meisten gab es am Südkurs. Bei der Campingplatz Suche entlang der Route hilft dir die Seite camping.info weiter. Die beste Reisezeit ist von Mai-Oktober. Gerade im Frühjahr und Herbst bestechen die hell bis dunkelgrünen bzw bunten Landschaften. Du kannst eine Radtour oder Radreise entlang der 100 Schlösser Route relativ spontan planen. Mit Hilfe von booking.com oder einfach per direkter Kontaktaufnahme findest du meistens ein paar Tage vorher, oder im Notfall auch am gleichen Tag noch ein Zimmer in den Hotels und Pensionen entlang der Route. Außerdem kann kannst du auch immer innerhalb der geschäftszeiten beim Münsterland e.V. anrufen. Sie helfen dir bei der Suche und Vermittlung der passenden Unterkunft direkt am Telefon. Auf ihrer Seite findest du alle Unterkünfte entlang der Strecke. Einige Schlösser sind im Privatbesitz und daher nur eingeschränkt besuchbar. Führungen am besten im Vorfeld online/telefonisch anfragen. Als Zelt für meine Solo Radreisen nehme ich übrigens ein Nordisk Telemark 2 LW. Hier geht’s zum Testbericht.
Meine Packliste für Solo Radreisen für den
Sommer in Deutschland & Europa findest du hier:
Die schönsten Burgen und Schlösser entlang des Südkurses der 100 Schlösser Route im Münsterland:
Haus Bisping
Schloss Westerwinkel
Schloss Sandfort
Burg Vischering
Schloss Senden
Burg Hülshoff in Havixbeck
Haus Vögeding
Schloss Münster in Münster
Transparenzhinweis: Die Radreise entlang der 100 Schlösser Route war eine bezahlte Bloggerreise und ist durch eine wunderbare Zusammenarbeit mit dem Tourismusverein meiner alten Heimat, dem Münsterland e.V. zustande gekommen.
Hallo Matthias,
traumhafte Story toll beschrieben und schön bebildert. Da hast Du etwas gemacht, was auf meiner Bloggerliste noch als unerledigt auf mich wartet. Wenn jetzt nicht November wäre, würde ich sofort losfahren. Der Artikel und die kulinarischen Highlights sind inspirierend. Vielleicht sieht man sich ja mal bei einem Blogger-Event?
Es geht ja beim Bloggen zwar schon darum was man erzählt, aber vor allen Dingen wie man es erzählt. Das ist Dir gelungen!
Beste Grüße aus Monheim am Rhein
Matthias
Hi Matthias,
danke dir für deinen lieben Worte! Immer schön zu lesen, wenn es den Leuten gefällt :)
Ja, vielleicht bin ich irgendwann mal wieder in NRW. Wohne aktuell in Schwerin, aber bei der ITB bestimmt mal :)
Beste Grüße, Matthias