Es ist mal wieder Zeit für einen Heimaturlaub. Diesmal spreche ich aber nicht von Leeuwarden oder München, an die ich ebenfalls mein Herz verloren habe. Nein, es geht um die Region, in der ich groß geworden bin, meine Jugend bis zum 21. Lebensjahr verbracht habe: Das Münsterland. Und es ist auch kein kurzer Stopp bei Freunden und Familie in Ibbenbüren, sondern eine lange intensive Entdeckungstour in meiner Heimat. Im Jahr 2015 habe ich bereits darüber nachgedacht, diese Route irgendwann einmal zu radeln. Und nun, wo ich nach drei Jahren Weltreise wieder zurück in Deutschland bin, habe ich endlich die Zeit dafür gefunden. Nach dem Donauradweg von Deutschland bis Rumänien, und Ostseeküstenradweg von Lettland bis Deutschland, heißt es nun, knapp 1.000 km durch meine alte Heimat, das Münsterland, entlang der 100 Schlösser Route zu radeln.
Die 100 Schlösser Route
Das Münsterland liegt zwischen dem Teutoburger Wald im Nordosten, der Lippe im Süden und der niederländischen Staatsgrenze im Westen. Burgen und Schlösser prägen diese Region mit seiner knapp 1.200 jährigen Geschichte. Bis zum Wiener Kongress 1814 war das Münsterland zersplittert und in unzählige Herrschaftsgebiete unterteilt. Steinerne Burgen waren und sind eindrucksvolle Symbole für Macht und Verteidigungsbereitschaft. Die 100 Schlösser Route schlängelt sich entlang der 100 bedeutendsten Schlösser, Burgen und Herrenhäusern dieser Zeit. Ich glaube, meine Reise wird eine Mischung aus Zeitreise, Genussradeln und Entdeckungstour. Die insgesamt 960 km lange Route ist in vier Kurse unterteilt: Süd-, Ost-, Nord- und Westkurs (Südkurs 210 km, 240 Ostkurs km, Nordkurs 305 km und Westkurs 310 km). Aufteilen werde ich diese in zwei Etappen und mir für zwei der Kurse jeweils anderthalb Wochen Zeit nehmen.
Abgesehen von dem bekannten Südkurs bin ich v.a. auch neugierig auf den Nord-, Ost- und Westkurs, denn über diese drei Strecken habe ich im Internet am wenigsten Informationen gefunden.

Die vier Kurse der 100 Schlösser Route im Münsterland
Karte der 100 Schlösser Route – Link zur Radkarte
Fahrrad und Gepäck
Aus zwei Gründen habe ich mein Reiserad von VSF inklusive Radtaschen bei dieser Tour mal zu Hause gelassen, und mir stattdessen ein Fahrrad bei Bernd vom Canu Camp geliehen, welches praktischerweise direkt am 100 Schlösser Radweg im münsterischen Angelmodde liegt.
Einerseits ist es eine lange Bahnanreise, andererseits habe ich mich lange genug dagegen gesträubt doch mal eine Tour mit einem E-Bike zu unternehmen. Somit nutze ich diese Reise auch, um mal für mich persönlich herauszufinden, wie sich eine Radreise mit E-Bike anfühlt. Inspiriert dazu hat mich übrigens mein Radreisekollege Maximilian Semsch mit seinen Filmen Around Oz und Abenteuer Deutschland. So, aber nun genug gebrabbelt. Los geht die Fahrradtour.
Mein E-Bike Leihrad für die ersten beiden Etappen (Ost- und Nordkurs: ca. 545 km )
Die Sonne scheint, los geht’s:
Für die erste Etappe habe ich mich für den Ostkurs von Münster in Richtung Sendenhorst entschieden. Die Sonne scheint, der Himmel strahlt in blau und Bernd verabschiedet mich, wünscht mir noch eine gute Reise. „Wir sehen uns dann in knapp zwei Wochen“, sagt er.
Der erste Tritt in die Pedale ist eine echte Befreiung. Zu lang und kalt war der Winter. Tut das gut endlich wieder auf dem Rad zu sitzen, die Farben und Gerüche der Natur und des Frühlings bewusst wahrzunehmen und zu genießen. Herrlich! Mir fallen sofort die schönen, aufgestellten Picknickhäuser auf, die immer wieder entlang der Strecke auftauchen.
Los geht’s bei bestem Wetter!
Tolle Picknickhütten entlang der Strecke
Auf dem Infoportal des Vereins zur Förderung des Münsterlandes, Münsterland e.V., ist die 100 Schlösser Route als Premiumradweg ausgewiesen. Außerdem ist sie als Qualitätsroute mit vier von fünf Sternen vom ADFC ausgezeichnet worden.
Das merke ich schnell. Auf überwiegend asphaltierten Landwirtschaftswegen fernab der Hauptverkehrsstraßen geht es mitten durch die Felder und Natur. Die Radwegebeschilderung ist gut. Dennoch bin ich froh, dass ich mir die GPS KML Datei auf meine Handy App Maps.Me geladen habe. Das macht das Fahren um einiges bequemer, da man nicht ständig Ausschau nach der Radwegebeschilderung halten muss. Wenn man so im Radfahr-Flow ist, übersieht man sie schon mal. Zumindest geht mir das manchmal so.
Der Abend bricht an und die Sonne geht langsam unter. Was ich an diesem ersten Tag sofort wieder gemerkt habe, ist, wie schnell man alle Sorgen und Gedanken vergisst, sobald man in seinem neuen Reisealltag angekommen ist, in dem sich alles nur ums Radfahren, Entschleunigung, Genießen und Entdecken dreht. Einfach schön! Ich habe mir keine Unterkünfte im Vorfeld gebucht, nur ein bisschen recherchiert und Namen aufgeschrieben. Zelt und Schlafsack habe ich mitgenommen. Das gibt mir immer wieder ein vollkommenes Gefühl von Freiheit und Flexibilität. Heute Nacht ist es allerdings noch relativ frisch und ich übernachte im Hotel Witte in Ahlen-Vorhelm. Gute Nacht also, ich bin k.o., da meine letzte lange Radtour doch schon wieder zu lange zurück liegt.
Die ersten Schlösser
Die freundliche Hotelbesitzerin Martina erzählt mir ein wenig über die Region. Es gab hier einen sehr bekannten plattdeutschen Dichter Namens Augustin Wibbelt, der vor allem für sein Gedicht „Dat Pöggsken“ bekannt ist. Das Gedicht wurde hier damals sogar in der Schule gelehrt. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit original westfälischem Schinken, ist es an der Zeit für mein erstes Schloss oder besser gesagt Herrenhaus. Nach nur einem Kilometer erreiche ich das Haus Vorhelm, welches schätzungsweise im 14. Jahrhundert erbaut wurde und erst nach vier Jahrhunderten seine Besitzerfamilie wechselte. Nun bin ich auch mental auf der Tour angekommen.
Frühstück im Hotel Witte in Ahlen
Haus Vorhelm unweit des Hotels
Ein paar Kilometer später stehe ich vor einer alten Grube. Hier wurde einst Strontianit Abbau betrieben. Das Mineral Strontianit wurde damals als das weiße Gold des Münsterlandes bezeichnet und diente der Zuckergewinnung. Viele Menschen kamen im frühen 19. Jahrhundert ins Münsterland und wollten sich daran eine goldene Nase verdienen. Beeindruckend, vor dem Eingang der zugeschütteten Grube zu stehen und sich vorzustellen, was damals hier los war.
Da ich Flüsse liebe, freue ich mich, als es bei Beckum ein Stück am Werse Radweg entlang geht. Keine zwei Minuten vergehen und ich sehe eine Forelle, ein Nutria und eine Entenfamilie, und das fast zeitgleich.
Werse Radweg – Teilstück der 100 Schlösser Route
Entlang des Werse Radwegs
Die Streckenführung auf meinem Handy zeigt mir an, dass ich demnächst zwischen zwei Seen hindurchfahren werde. Die Hardtteiche erinnern mich ein wenig an den Canyon zwischen Brochterbeck und Lengerich. Nur größer und schöner. Hier darf man sogar angeln. Wie gerne hätte ich jetzt meine Routen dabei.
Türkisblau! Die Hardtteiche im Münsterland
In Lippetal befindet sich das nächste Schloss, das ich mir anschauen möchte. Das Wasserschloss Hovestadt wurde aufgrund seiner strategischen Lage an der Lippe immer wieder zerstört und neu aufgebaut.
Erstes großes Schloss: Schloss Hovestadt
Da ich so viel in der Natur unterwegs bin, steigt mein Bedürfnis danach zu Zelten. Leider gibt es hier so gut wie keine Campingplätze entlang des Ostkurses. Da bin ich vielleicht ein wenig zu verwöhnt vom Donau- und Ostseeküstenradweg. Wildzelten ist auch nicht so praktisch, da ich abends immer vier Stunden meinen E-Bike Akku aufladen muss. Spätestens jetzt merke ich, dass es ohne E-Bike zumindest in Hinblick auf die Unabhängigkeit doch etwas komplizierter ist. Aber das Radeln auf dem Elektrorad hat auch was, ich will mich nicht beschweren. Auf jeden Fall schafft man einiges mehr an Kilometern pro Tag!
Stromberg: Der Geheimtipp am Ostkurs
Stromberg gibt es nicht nur als Serie, sondern auch als Ortsteil der Stadt Oelde im Münsterland. Die Serie Stromberg stammt übrigens von der britischen Serie The Office. Tipp: Unbedingt die amerikanische Version von The Office mit Steve Carell in Originalsprache schauen. Meine Lieblingsserie überhaupt.
Diesen Ort hatte ich so gar nicht auf dem Radar. Aber hier gibt es so einiges zu sehen und es ist wirklich wahnsinnig schön und idyllisch hier. Neben der Burgruine, der Freilichtbühne, dem Festplatz, drei Kirchen, einem Freibad, das durch Biogas auch im Winter beheizt wird, und dem Pflaumen-Wanderweg, ist der schönste Platz die – ich nenne sie einfach mal – „Münsterland Terrasse“. Von hier genießt man bei gutem Wetter einen super Ausblick. Und wie ich hier so sitze, treffe ich Anne. Anne lebt mittlerweile in Köln, kommt aber öfter im Jahr ins Münsterland, um ihre Mutter in Stromberg zu besuchen. Dieser Aussichtspunkt ist ihr Lieblingsplatz in der Gegend. Wir plaudern und vergessen die Zeit…
Willkommen in Stromberg
Die Münsterland Terrasse in Stromberg
Schöne Fachwerkhäuser findet man immer wieder entalng der 100 Schlösser Route
Wenn die Schlösser zur Nebensache werden
Bevor ich in Warendorf an der Ems ankomme, radle ich noch am Haus Geist in Oelde und Schloss Vornholz in Ennigerloh vorbei. Beide sind ebenfalls sehr schön anzusehen, nur leider, wie viele Schlösser an der Route, in Privatbesitz, sprich nicht öffentlich zugänglich. Das ist aber gar nicht so schlimm, denn obwohl der Name des Radwegs 100 Schlösser Route ist, merke ich, dass diese Route viel mehr ist: Schöne Orte, historische Städte, tolle und verschiedene Radwegabschnitte, freundliche Menschen, Natur und totale Entschleunigung. Genussradeln mit Erlebnis. Die wohl authentischste Art und Weise, das Münsterland zu entdecken. Wenn man radelt, nimmt man (s)eine Region viel intensiver und durch eine neue Perspektive wahr. Der Weg wird das Ziel, wird eine Destination, eine Erinnerung. Ein paar Tage fühlen sich an wie eine Woche. Man erlebt so viel, in so kurzer Zeit. Kennst du das Gefühl?
Haus Oelde in…Oelde!
Restaurant-Tipp: Brauhaus in Oelde
Maps.Me für mich die Nr.1 Navi-App
Urlaubsfeeling in Warendorf und Telgte an der Ems
Mein letztes persönliches Highlight auf dem Ostkurs ist der Streckenabschnitt zwischen Warendorf und Telgte. Anstatt über Ostbevern zu radeln, kann man alternativ auch am Emsradweg zurück nach Münster. Und das finde ich an dieser Route so toll. Man ist gleichzeitig immer wieder auf unterschiedlichen Themenradwegen unterwegs. Und der Emsradweg steht bereits seit 2012 auf meiner Liste. Die Emspromenade in Warendorf versprüht Urlaubsfeeling pur und auf dem frisch renovierten Marktplatz setze ich mich in mein Lieblings Café, das Café Extrablatt. Nach vier Stunden chillen, essen, entspannen und Leute beobachten, ist mein E-Bike Akku wieder vollgeladen und ich mache mich auf den Weg zum Campingplatz Alsmann direkt am Emsradweg. Und dabei ‚laufen‘ mir doch glatt zwei Blindschleichen über den Weg.
Urlaubsstimmung im Sommer in Warendorf
Mein Lieblingscafe: Cafe Extrablatt
Telgte ist der letzte Halt auf meiner Reise. An diesem Ort bin ich damals schon oft mit dem Auto vorbeigefahren, habe es aber bisher nicht geschafft mal anzuhalten. Gut, dass ich es jetzt tue. Der Himmel strahlt blau, und ein morgendlicher Spaziergang durch die malerische Innenstadt mit der architektonisch ansehnlichen Marienkapelle am Ende der Straße runden die erste Etappe meiner Entdeckungstour durch das Münsterland perfekt ab.
Marienkapelle in Telgte
Jetzt geht es über den Dortmund-Ems Kanal Radweg für eine Nacht Pause nach Hause nach Ibbenbüren, bevor es dann weiter auf der 100 Schlösser Route auf den Nordkurs ins nördliche Münsterland geht. Ich bin schon sehr gespannt und die Wettervorhersage sieht weiterhin traumhaft aus!
Dortmund-Ems Kanal Radweg bei Münster
Auf geht’s nach Ibbenbüren zum Nordkurs der 100 Schlösser Route
Die schönsten Burgen, Herrenhäuser, Schlösser und Kirchen auf dem Ostkurs:
- Haus Vorhelm
- Cornelius und Cyprianus in Lippborg (Kirche)
- Burg Stromberg
- Wasserschloss Hovestadt
- Oelde Haus Geist
- St. Johannes Kirche in Oelde (Kirche)
- Schloss Vornholz
- Marienkappelle in Telgte (Kirche)
Transparenzhinweis: Die Radreise entlang der 100 Schlösser Route war eine bezahlte Bloggerreise und ist durch eine wunderbare Zusammenarbeit mit dem Tourismusverein meiner alten Heimat, dem Münsterland e.V. zustande gekommen.
Hinterlasse einen Kommentar